Thomas Lange |
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25 Jahre Resonanzlehre oder Wie kommt die Emotion in die Schallwelle? "Emotion bringt Präzision." Thomas Lange Alles beginnt damit, dass ich Anfang der 80er Jahre erkennnen muss, dass weder die Schulmedizin noch die Alternativmedizin noch die Musikpädagogik noch die angebotenen Bewegungsverfahren, wie z.B. Alexandertechnik, Feldenkrais oder Yoga, in der Lage sind, mich von den Schmerzen in meinen beiden Armen zu befreien. Die Schmerzen sind durch das Geigespielen entstanden. Und ich stehe als Musiker quasi vor dem Aus. Die Musikpädagogik ist zu dieser Zeit wenig körperlich orientiert. Die Bewegungsverfahren sind nicht klanglich bzw. musikalisch orientiert. Ich merke, hier fehlt etwas Wesentliches. Es fehlt eine Praxis, bei der die Verbindung von Klang und Bewegung im Mittelpunkt steht. Ich fange also an selbst Experimente anzustellen, um herauszubekommen, wie Klang und Bewegung sich gegenseitig beeinflussen. Dabei fällt mir auf, je resonanzreicher der Klang beim Geigespielen, um so gelöster wird die Bewegungsqualität, die Muskeln fangen an sich zu entspannen. Ich beschließe, von nun an nur noch resonanzreiche Klänge zu spielen. Gleichzeitig beginnt eine Untersuchung, wie am leichtesten resonanzreiche Klänge produziert werden können. Die Ergebnisse sind so positiv, dass ich nach einem Jahr wieder schmerzfrei Geige spielen kann und meinem damaligen Beruf als Geiger nachgehen kann. Dass aus diesem Prozess die Resonanzlehre entsteht, ist zu diesem Zeitpunkt eher ein Zufall und nicht beabsichtigt. Erst später nehme ich wahr, dass ich etwas entdeckt habe, was für viele Musikerinnen und Musiker relevant sein kann. Nach etwa sieben Jahren, im Jahr 1990, gehe ich mit der Resonanzlehre erstmalig an die öffentlichkeit. In diesen sieben Jahren habe ich die Grundlagen der Resonanzlehre entwickelt. Mir ist jetzt klar, wie man sich beim Musizieren so bewegen kann, dass Verspannungen, Verkrampfungen oder Schmerzen gar nicht erst entstehen. Und ich habe erfahren, dass das Verhältnis von Klang und Bewegung dabei eine entscheidende Rolle spielt. Die Resonanzlehre wird nicht zu einem weiteren Bewegungsverfahren, sondern zu einem Klangbewegungsverfahren. Sie wird nicht nur von Musikern wahrgenommen, die mit körperlichen Fragestellungen kommen. Es sind auch viele darunter, die nach einer Realisierung der Bewegungs- und Klangqualität suchen, die ihr einzigartiges musikalisch-künstlerisches Potential zur Entfaltung bringt. Meine Erfahrungen mit Verspannungen, Verkrampfungen oder Schmerzen beim Musizieren haben mir gezeigt, dass nicht nur die Bewegungsqualität eingeschränkt ist, sondern vor allem auch der musikalische Ausdruck. Wieso ist Gelöstheit beim Musizieren so wichtig, wieso darf es leicht sein? Damit Kapazitäten für den musikalischen Ausdruck frei werden. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist: Wenn der Körper als Gewohnheit beim Musizieren permanent elastisch gelöst ist, wohin kann man dann noch weitergehen? Man kann weitergehen in Richtung Regenerativität. Viele Musiker verfügen über Vorerfahrungen von Regenerativität beim Musizieren. Oft übt man zwei Stunden und ist danach erschöpft. Manchmal übt man zwei Stunden und ist erfrischt. Kennen Sie dieses Gefühl, dass das Spielen erfrischend ist? Möchten Sie daraus eine Gewohnheit machen? 25 Jahre später hat sich aus der Zusammenarbeit mit einer gut und gerne vierstelligen Zahl von Musikerinnen und Musikern fast aller Instrumente, Gesang und Dirigieren eine große Menge an Erfahrungen über Klangbewegungen angesammelt. Daraus möchte ich ein paar Perspektiven vorstellen, an dieser Stelle besonders bezogen auf den musikalischen Ausdruck. Wieso ist gerade für das Musizieren körperliche Anstrengung so ungeeignet? Weil es um gleichmäßig schwingende Schallwellen geht. Schallwellen sind schwingende Luft, das Spielmaterial des Musizierens ist ein sehr leichtes Material. Je mehr der Körper sich beim Musizieren anstrengt, um so größer wird die Diskrepanz zu diesem leichten Material. Was soll mit den Schallwellen passieren? Sie sollen in den Raum an das Ohr des Zuhörers gelangen, damit der Zuhörer erleben kann, wie der Musiker die Musik fühlt. Daraus resultiert die eigentlich wichtigste Frage für Musikerinnen und Musiker... Wie kommt die Emotion in die Schallwelle? 1) Durch eine realistische Wahrnehmung des Spielmaterials Schallwellen. Schallwellen sind inkonsistent, eher wie Wasser oder Wolken, immer in Veränderung, und je nach der akustischen Situation des Raumes unterschiedlich. Deswegen lassen sich Schallwellen nicht dressieren oder abrufen. Wird eine musikalische Bewegungssituation, die in Raum A einwandfrei klanglich funktioniert, in Raum B exakt wiederholt, funktioniert sie klanglich nicht mehr. Deswegen darf meines Erachtens ein großer Teil des musikalischen Praktizierens in einem Reagibilitätstraining auf unterschiedliche akustische Bedingungen bestehen. 2) Durch eine geeignete Spielintention. Diese darf dem entsprechen, worum es beim Musizieren tatsächlich geht. Dann können die Muskeln auch so funktionieren, wie es sich die Musiker wünschen. Die meines Erachtens günstigste Spielintention lautet: Ich bringe die Musik, wie ich sie fühle, an das Ohr des Zuhörers. Arnold Jakobs (1915-1998), der legendäre Blechbläserpädagoge aus den USA, hat das auf seine typische Art so formuliert: "Don't practice, always perform!" Er meinte damit nicht, dass man als Musiker das üben einstellen soll. Sondern, dass es günstig ist, wenn man beim üben die Performance-Ausrichtung zu einer selbstverständlichen Gewohnheit werden lässt. 3) Durch eine schallwellengerechte körperliche Verfassung. Das bedeutet, dass die Selbstorganisation des Körpers eines Musikers eine Qualität aufweist, die es erlaubt, dass sich Schallwellen leicht durch den Körper des Musikers und den Raum bewegen. Deswegen praktizieren Musikerinnen und Musiker in der Resonanzlehre Klangbewegungen, die den Körper schwingungsfähiger und klangdurchlässig machen. 4) Durch eine körperliche Verfassung, die Emotionen leicht und unmittelbar als Klang heraus bewegt. Im Englischen gibt es den schönen Unterschied zwischen feeling und emotion. Feeling beim Musizieren ist, wie man die Musik fühlt. Emotion beim Musizieren ist, dass man für andere hörbar macht, wie man die Musik fühlt. Emotion kommt aus dem Lateinischen von emovere, herausbewegen. Dazu braucht man eine Bewegungsorganisation vom Zentrum des Körpers in die Peripherie des Körpers, von der großen in die kleine Muskulatur und tendenziell vom Unterkörper in den Oberkörper. Die Klangbewegungspraxis der Resonanzlehre ist strukturell so aufgebaut. 5) Durch ein Vertrauen aufbauendes, organisches, gefühltes Handwerk. Wird das Handwerk gekonnt, aber nicht gefühlt, entsteht in der Regel eine Diskrepanz zwischen dem gewünschten musikalischen Ausdruck und der handwerklichen Bewegung. Organisches Handwerk bedeutet, dass jede Bewegung, die handwerklich notwendig ist, im gesamten Körper balancierende Reaktionen hervorruft, ähnlich wie in einem Mobilé. Gefühltes Handwerk bedeutet eine Bewegungspraxis über die Wahrnehmung mit den Sinnen, insbesondere über das Hören und den kinästhetischen Sinn (das ist der Tastsinn verbunden mit dem Räumlichkeitssinn). Auch hier hat die englische Sprache ein schönes Wort, to sense. 6) Durch eine vollständige Erfassung der Emotionen des zu spielenden Musikstückes. Die Leitidee beim musikalischen Praktizieren sollte nicht sein, ob ich das Musikstück spielen kann, sondern wie ich die Musik erlebe oder fühle. Das Können darf zu einer Folgeerscheinung des Erlebens werden. 7) Durch die Bereitschaft, den Emotionsraum Musikstück mit dem tagesaktuellen, menschlichen Emotionsraum mitschwingen bzw. resonieren zu lassen. Hier liegt meines Erachtens die entscheidende Möglichkeit, den musikalischen Ausdruck permanent berührend und lebendig sein zu lassen. Gute Resonanz allerseits... Thomas Lange |
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